Ich möchte heute der Frage nachgehen, ob Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaates gleichzeitig Unionsbürger sein können. Einfacher formuliert stellt sich die Frage, ob deutsche Staatsbürger – welche aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen zurückkehren – in Deutschland wie Unionsbürger behandelt werden müssen oder nicht.

Warum ist das wichtig?

In bestimmten Fällen können Staaten ihre eigenen Staatsbürger schlechter behandeln als andere Personengruppe wie z. B. Unionsbürger im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie. Die sich hieraus ergebende Inländerdiskriminierung ist (leider) nach EU-Recht erlaubt, da solche Angelegenheiten die Souveränität des jeweiligen Staates betreffen. Ob solche Regelungen der Verfassung des jeweiligen Nationalstaats entsprechen dürfte aber ebenfalls fraglich sein.

Als Unionsbürger werden EU-Bürger anderer EU-Staaten bezeichnet, die sich in einem EU-Staat aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen.

Welche Vorteile haben Unionsbürger?

Die Rechte von Unionsbürger leiten sich hauptsächlich aus der Freizügigkeitsrichtlinie ab. Zusätzlich ist es einem Staat verboten Unionsbürger schlechter zu stellen als die eigenen Staatsbürger.

Kann ein deutscher Staatsbürger gleichzeitig Unionsbürger sein?

Ein deutscher Staatsbürger ist im EU-Ausland automatisch Unionsbürger. Innerhalb Deutschlands gelten für Deutsche aber die nationalen Rechtsvorschriften Deutschlands. Glücklicherweise gibt es hiervon jedoch eine Ausnahme:

Sofern ein deutscher Staatsbürger nachhaltig von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, gilt er bei seiner Rückkehr als Unionsbürger.

Was ist unter der nachhaltigen Ausübung des Freizügigkeitsrechts zu verstehen?

Das Leben und Arbeiten in einem anderen EU-Mitgliedsstaat (abweichend von der eigenen Staatsbürgerschaft) für einen längeren Zeitraum (d. h. Verlagerung des Lebensmittelpunktes).

Was ist mit Fällen einer doppelten Staatsbürgerschaft?

Sollte der deutsche Staatsbürger eine andere EU-Staatsbürgerschaft besitzen so ist dieser nicht automatisch wie ein Unionsbürger zu behandeln. Auch hier ist ein nachhaltiger Aufenthalt im anderen EU-Mitgliedsstaat (vgl. s. o.) notwendig. Der Aufenthalt kann aber auch im Land der zweiten Staatsbürgerschaft erfolgen.

Welcher Vorteil besteht für Familienangehörige von Unionsbürgern?

Direkte Familienangehörige von Unionsbürgern – wie z. B. Ehepartner – aus Drittstaaten genießen aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Das hat am Beispiel Deutschland zur Folge das kein Sprachnachweis, Integrationskurs oder sonstige „Maßnahmen“ notwendig sind. Weiter kann eine Aufenthaltskarte-EU viel schneller, günstiger und einfacher erteilt werden als eine deutsche Aufenthaltsgenehmigung.

Was heißt das konkret für Rückkehrer aus einem anderen EU-Staat welche mit einem Familienangehörigen nach Deutschland zurückkehren?

Der Familienangehörige des Unionsbürgers wird bereits über eine Aufenthaltskarte des ursprünglichen EU-Gastlandes verfügen. Nach einem Aufenthalt von 5 Jahren ggf. sogar über eine Daueraufenthaltskarte-EU.

Familienangehörige können mit beiden Karten problemlos nach Deutschland einreisen und müssen auch in Deutschland weiterhin wie Familienangehörige eines Unionsbürgers behandelt werden (vgl. Nr. 3.0.2 AVV zum FreizügG/EU).

Ich habe hierzu auch eine Anfrage beim Landesamt für Migration und Einwanderung in Berlin gestellt:

Bei den von Ihnen angesprochenen „Rückkehrerfällen“ handelt es sich um Einzelfälle, die ohne Frage im zuständigen Referat E 5 geprüft werden. Der Personenkreis hat die Möglichkeit der Beantragung einer Aufenthaltskarte. Dies im Wege der schriftlichen Antragstellung direkt beim Referat E 5 (postalisch oder per E-Mail).

Ein Inhaber einer Daueraufenthaltskarte eines anderes EU-Mitgliedsstaates kann visafrei nach Deutschland einreisen und hier ein Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz  – FreizügG/EU – beantragen (§ 2 Satz 3 FreizügG/EU).

Reist ein Familienangehöriger mit einer (Dauer-)Aufenthaltskarte eines anderen EU-Mitgliedstaates ein, muss innerhalb der Frist des § 5 Abs. 2 FreizügG/EU (3 Monate) ein Antrag auf eine neue Aufenthaltskarte gestellt werden. Deutsche Sprachkenntnisse sind in diesem Fall nicht erforderlich.

Landesamt für Einwanderung (LEA), Referat P2

Wird ein Einkommensnachweis beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsbürgern (welche ihr Freizügigkeitsrecht ausgeübt haben) benötigt?

Nein. Das europäische Unionsrecht genießt im Kollisionsfall Anwendungsvorrang vor dem Freizügigkeitsgesetz/EU, es sei denn, das nationale Recht enthält günstigere Regelungen (vgl. § 11 Absatz 14 FreizügG/EU, Ziffer 0.1.3 AVV zum FreizügG/EU). Eine Lebensunterhaltssicherung ist beim Familiennachzug zu deutschen Staatsangehörigen unerheblich (§ 28 Abs. 1 AufenthG), denn die Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 5 Absatz 1 Nummer 1, § 2 Absatz 3) ist wegen des uneingeschränkten Aufenthaltsrechts von Deutschen im Bundesgebiet gemäß § 28 Absatz 1 Satz 3 im Regelfall keine Voraussetzung für den Ehegattennachzug zu Deutschen und daher nicht durchgängig zu prüfen (vgl. Ziffer 28.1.1.0 AVV zum AufenthG). Aus alledem ergibt sich, dass in einem Rückkehrfall i. S. d. Ziffer 3.0.2 AVV zum FreizügG/EU kein Einkommensnachweis zu erbringen ist.

Was passiert mit der alten (Dauer)aufenthaltskarte-EU?

Eine Aufenthaltskarte-EU ist grundsätzlich bis zu einer Abwesenheit von 6 Monaten gültig. Eine Daueraufenthaltskarte-EU ist bis zu einer Abwesenheit von 2 Jahren gültig.

Bei einer Daueraufenthaltskarte-EU erhält das Familienmitglied das Recht sich in dem ausstellenden Mitgliedsstaat dauerhaft aufzuhalten. Das Recht ist auf diesen einen Mitgliedsstaat begrenzt. Bei einer Abwesenheit durch einen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat ist die Daueraufenthaltskarte-EU sogar abweichend 6 Jahre gültig. Demnach besteht genug Zeit sich um eine „neue“ Daueraufenthaltskarte-EU in einem anderen EU-Staat zu bemühen. Sobald eine neue Daueraufenthaltskarte-EU von einem anderen EU-Staat ausgestellt wird, verliert die alte Karte automatisch Ihre Gültigkeit.

Gilt das abgeleitete Freizügigkeitsrecht auch für andere EU-Staaten?

Selbverständlich gilt dieses Recht für Familienangehörige in allen EU-Mitgliedsstaaten, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (s. o.).

Was ist wenn kein Einreisevisum vorlag oder anderweitig ein Problem mit nationalen Vorschriften besteht?

Die Freizügigkeitsrechte drittstaatsangehöriger Ehepartner von Unionsbürgern sind nicht von der Einhaltung einer etwaigen nationalen Visumspflicht abhängig (vgl. Rechtssachen MRAX, METOX, SAHIN – siehe wichtige Links). Auch sonst müssen keine weiteren Voraussetzungen neben dem Bestehen einer Ehe und dem Nachweis der Identätit vorliegen (vgl. Bay VGH, Beschl. v. 09.08.2019 – 19 CE 11.1893 -, juris).

Hilfe – eine Behörde/Botschaft verweigert die Ausstellung eines Visums/einer Aufenthaltskarte-EU

Die Rechte aus Artikel 5 der Richtlinie 2004/38/EG sind nicht optional. Die Vorschriften wurden von jedem Mitgliedsstaat in nationales Recht umgesetzt, d. h. es gibt gleichlautende Vorschriften in jedem Mitgliedsstaat.

Visum

Die Mitgliedsstaaten müssen – bei Familienangehörigen von Unionsbürgern – ein Schengenvisum Typ C für Familienangehörige ausstellen. Sie haben das Recht auf bevorzugte Bearbeitung innerhalb von 14 Tagen, d. h. die jeweilige Botschaft muss Ihnen einen bevorzugten Termin geben und den Antrag auch bevorzugt bearbeiten.

Es wird benötigt: Ein Nachweis wie z. B. eine „internationale“ Personenstandsurkunde, ein kurzes Anschreiben in welchem der Unionsbürger bestätigt mit dem Familienangehörigen zusammen zu reisen (oder dass der Familienangehörige nachreist), eine Kopie des Reisepasses des Unionsbürgers, eine Incoming-Versicherung für den Schengenraum, ein enstprechender Antrag, Passfoto und Reisepass.

Die Botschaft darf keine anderen Nachweise fordern, d. h. keine Kontoauszüge, Flugtickets, Hotelbuchungen oder andere Nachweise. Es ist jedoch zu empfehlen zumindest Flugtickets beizulegen.

Aufenthaltskarte-EU

Sie müssen nachweisen Ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und insbesondere über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen. Sofern Sie diese Voraussetzungen erfüllen muss Ihnen – bis auf sehr wenige Ausnahmen – eine Aufenthaltskarte-EU ausgestellt werden.

Die Behörde weigert sich oder vergibt keinen Termin

Weisen Sie die Behörde auf die Rechtswidrigkeit unter Bezugnahme auf die Freizügigkeitsrichtlinie hin. Bei Botschaften kann es hilfreich sein, die übergeordnete Behörde (in Deutschland das Auswärtige Amt) über das rechtswidrige Verhalten zu informieren und um Abhilfe zu bitten.

Weigert sich die Behörde weiterhin kann Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht werden (externer Link).

Die Beschwerde beschleunigt das Verfahren nicht, die Bearbeitungszeiten sind sehr lang. Ist die Beschwerde jedoch berechtigt (und häufen sich diese Beschwerden) wird die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Es ist zu empfehlen einen „aufnahmewilligeren“ Mitgliedsstaat zu besuchen oder SOLVIT um Hilfe zu ersuchen (externer Link).

Bei weiteren Fragen können Sie gerne einen Kommentar hinterlassen.

Share:
  • 85
  • 0