Am 20.04.2023 kam es mal wieder zu einer resonanzlosen Änderung des deutschen Freizügigkeitsgesetzes/EU. Hier kam es zur Einschränkung der Rechte von Familienangehörigen von Unionsbürgern aus Drittstaaten, welche noch nicht über eine Aufenthaltskarte verfügen.
Wir fordern daher vom Bundestag die Wiedereinführung des ersatzlos gestrichenen § 2 Abs. 5 FreizügG/EU in der vor dem 25.04.2023 geltenden Fassung:
„Für einen Aufenthalt von Unionsbürgern von bis zu drei Monaten ist der Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses ausreichend. Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, haben das gleiche Recht, wenn sie im Besitz eines anerkannten oder sonst zugelassenen Passes oder Passersatzes sind und sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.“
§ 2a Abs. 2 S. 1 FreizügG/EU in der ab dem 25.04.2023 geltenden Fassung
„Familienangehörige und nahestehende Personen, die nicht Unionsbürger sind, bedürfen für die Einreise eines Visums.“
ist im Hinblick auf Art. 6, 7 der Richtlinie 2004/38/EG und Art. 56 AEUV unionsrechtswidrig.
Die Einführung des § 2a Abs. 3 FreizügG/EU vermag an der Unvereinbarkeit mit Unionsrecht keine Änderung herbeizuführen, denn eine Aufenthaltskarte wird von anderen Mitgliedsstaaten nicht sofort an Ort und Stelle ausgestellt. Aus diesem Grund werden durch die ersatzlose Streichung des unionsrechtskonformen § 2 Abs. 5 FreizügG/EU in der vor dem 25.04.2023 geltenden Fassung alle Familienangehörigen von Unionsbürgern ohne Aufenthaltskarte benachteiligt.
Nach Ziffer 2.2.1. der Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen dürfen die Behörden der Mitgliedstaaten nicht verlangen, dass Betroffene ein Langzeitvisum, eine Aufenthaltskarte oder ein Visum zur Familienzusammenführung beantragen.
Deshalb ist § 2a Abs. 2 S. 1 FreizügG/EU in der ab dem 25.04.2023 geltenden Fassung insbesondere auch in Fallkonstellationen unionsrechtswidrig, in welchen Unionsbürgern zusammen mit Ihren Familienangehörigen von ihren Rechten aus Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG in mehreren unterschiedlichen Mitgliedsstaaten Gebrauch machen ohne eine Aufenthaltskarte zu beantragen. Derartige Kurzaufenthalte von freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen sind rechtlich auch mit einem abgelaufenem Visum nicht zu beanstanden, siehe auch Ziffer 2.1.2. des Handbuchs für Grenzschutzbeamte (Anhang zu C 2019 7131 final).
Zusätzlich haben wir zwischenzeitlich vom BMI im Rahmen des IFG die Dokumente mit den Erwägungen zur Streichung des beanstandeten Paragraphen angefordert.