Wir haben eine Petition beim Deutschen Bundestag zur Verbesserung der Informationsangebote im Hinblick auf die Freizügigkeitsrechte eingereicht. Dabei haben wir auch eine Anpassung des AVV zum FreizügG/EU gefordert. Unsere mitgelieferte Begründung vereinfacht: Wenn sogar das BMI und AA zu „unfähig“ für eine richtige Auslegung der Freizügigkeitsrichtlinie sind muss eine Klarstellung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zum FreizügG/EU erfolgen.
Zusätzlich haben wir eine ähnliche Petition beim bayerischen Landtag eingereicht. Hier haben wir lediglich den Fokus geändert auf eine Verbesserung der Informationsangebote von bayerischen Ausländerbehörden.
Den vollständigen Wortlaut der Petition haben wir hier für euch:
Die Mitgliedsstaaten haben nach Art. 5 der Richtlinie 2004/38/EG alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den anspruchsberechtigten Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/38/EG stellt darauf, abweichende Verwaltungspraktiken/Auslegungen oder Behinderungen bei der Ausübung der Freizügigkeitsrechte zu vermeiden.
Im Gegensatz hierzu finden sich bei Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden nur sehr wenige Angaben zu den Rechten von Unionsbürgern und deren Familienangehörigen. Auch Informationsangebote über die Rechte von Rückkehrern (vgl. Rechtssachen C-370/90, Singh und C-291/05, Eind.) – also deutschen Staatsbürgern die ihre Freizügigkeitsrechte im EU-Ausland ausgeübt haben (und deren Familienangehörige) – fehlen weitgehend. Insbesondere fehlen aber auch Informationsangebote zu Selbständigen bzw. Dienstleistungserbringern, welche die Freizügigkeitsrechte ausüben, indem sich diese zum Zwecke der Dienstleistungserbringung in einen anderen Mitgliedsstaat begeben ohne dort Aufenthalt zu nehmen (vgl. Rechtssache C-60/00, Carpenter).
In Einzelfällen sind die Informationsangebote derart gestaltet, dass diese Pauschal die Freizügigkeitsrechte für deutsche Staatsangehörige ausschließen (ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme solcher Rechte in „Rückkehrfällen“). Dies ist etwa der Fall beim Landesamt für Einwanderung in Berlin. Hier wird auf der Informationsseite „(Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU (außer Deutschland) und des EWR – Ausstellung)“ ausgeführt „Familienangehörige von Deutschen bekommen keine Aufenthaltskarte nach dem Freizügigkeitsgesetz. Diese können eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz erhalten, wenn sie selbst kein EU oder EWR-Bürger sind (siehe unter ‚Weiterführende Informationen).“ Ein Informationsangebot für Rückkehrfälle ist nicht vorhanden (Hinweis: Der Petent bemängelte dies bereits am 17. Januar 2023 bei der Behörde, Abhilfe wurde trotzdem nicht geschaffen.).
Das Auswärtige Amt veröffentlicht ein sogenanntes Visa-Handbuch, welches laut Auswärtigen Amt Vollständigkeit für sich beansprucht. Dennoch fehlen in diesem Visa-Handbuch sowohl das Handbuch für Grenzschutzbeamte (Anhang zu C 2019 7131 final) als auch die Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG (KOM/2009/0313 endg.).
In diesen beiden Dokumenten finden sich jedoch zahlreiche Informationsangebote und Hinweise zur korrekten Auslegung und Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie.
Demnach dürfte das Fehlen solcher Informationsangebote ein Verstoß gegen die Vorschriften aus der Freizügigkeitsrichtlinie sein.
Das Fehlen derartiger Informationsangebote führt nach Ansicht des Petenten auch zu Fehlern bei der Auslegung und Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie innerhalb der Behörden. So begehrte der Petent vom Auswärtigen Amt, einer Auslandsvertretung, dem Bundesministerium des Innern und der Bundespolizei die Information, ob dieser mit seiner Frau (aus einem Drittstaat) mit einem abgelaufenen Visum für Familienangehörige von Unionsbürgern die Binnengrenze nach Deutschland – zum Zwecke der Durchreise von z. B. der Tschechischen Republik nach Frankreich – überschreiten darf. Sowohl die Zentrale des Auswärtige Amts, die Auslandsvertretung als auch das BMI erklärten in der (Erst)auskunft, dass dies nicht möglich sei. Selbst nach Darlegung der Sachlage im Rahmen einer Fachaufsichtsbeschwerde hielten beide Ministerien an dieser falschen Auslegung des Rechts fest (hier insbesondere das Aktenzeichen des BMI: MI1-21009/1#5).
Durch dieses Beispiel wird deutlich, dass es durch das Fehlen von korrekten Informationsangeboten auch innerhalb von Behörden und sogar Ministerien zu einer systematischen Falschanwendung des Freizügigkeitsrechts kommen kann. Im Falle des Bundesministeriums des Innern ist eine Falschauslegung der Richtlinie auch im Hinblick auf die Vorschriften im nationalen Freizügigkeitsgesetz problematisch. So macht das BMI für die Ausübung der Rechte aus der Freizügigkeitsrichtlinie selbst bei Durchreisen und Kurzaufenthalten von unter 3 Monaten in Deutschland – bei deutschen Staatsbürgern welche zuvor (nur) die Rechte aus Art. 6 der Richtlinie beansprucht haben – die vorherige Ausübung der Freizügigkeitsrechte nach Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG zur Voraussetzung. Dabei handelt es sich bei derartigen Durchreisen und Kurzaufenthalten nicht um „Rückkehrfälle“ zum Zwecke eines Daueraufenthalts, sondern lediglich um die Ausübung des Kernbestands der Freizügigkeitsrechte.
Der Petent empfiehlt daher entsprechende Informationsangebote (zu den Freizügigkeitsrechten von Unionsbürgern und deutschen Staatsbürgern – welche in der Vergangenheit bereits ihre Freizügigkeitsrechte ausgeübt haben – bzw. „Rückkehrern“ und „Dienstleistungserbringern“) auf den Seiten des Auswärtigen Amts, der Auslandsvertretungen und weiteren Ministerien zu schaffen und Mitarbeiter entsprechend zu schulen, um den Verpflichtungen aus der Freizügigkeitsrichtlinie so schnell wie möglich nachzukommen. Auch empfiehlt der Petent eine Anpassung von Ziffer 1.3. und 3.0.2. der AVV zum FreizügG/EU, denn beide Regelungen sind zu unspezifisch. Hier müsste eine Klarstellung erfolgen, dass für einen Daueraufenthalt die vorherige Ausübung des Rechts aus Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erforderlich ist, bei kurzen Besuchen oder Durchreisen jedoch die vorherige Ausübung der Rechte aus Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG genügt. Eine Bewertung der Qualität und Nachhaltigkeit ist insoweit in solchen Fällen nicht erforderlich. Weiter empfiehlt der Petent das Hinzufügen des Handbuchs für Grenzschutzbeamte (Anhang zu C 2019 7131 final) und der Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG (KOM/2009/0313 endg.) zum „Visa-Handbuch“ des Auswärtigen Amts.